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Zypern: Berge in der Mitte und alte Steine im Norden

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In Limassol bleibt mir nicht viel Zeit. Meine Freunde führen in den nächsten beiden Tagen einen Workshop in den Bergen in Zentralzypern durch. Sie laden mich ein, sie zu begleiten. Der Plan: Während sie den Workshop leiten, erkunde ich die Berge.

Also düsen wir zu dritt Richtung Berge. Der Zielort hört auf den eingänglichen Namen Kalopanayiotis und ist zwar klein, aber durchaus bekannt. Das liegt nicht nur an seiner schönen Lage, sondern auch am ältesten Kloster Zyperns, was sich dort befindet.

Zwischen Bergen und Kultur hin-und hergerissen, entscheide ich mich zuerst für die Berge. Eine gute Entscheidung, wie sich noch zeigen wird! Bevor es jedoch auf den Berg geht, schlendere ich erst noch ein wenig durch das wirklich malerische Örtchen. Erstaunlich, an welchen Stellen Menschen früher zu siedeln begonnen haben.

Der einstündige Marsch hoch auf den Berg erlaubt mir anschließend einen majestätischen Ausblick über das Tal. Allerdings auch auf die heranziehenden Wolken, deren Farbe den angekündigten Regen verheißt. Eine perfekte Gelegenheit, mein neues Tarp mal im Regen auszuprobieren. Der Regen spielt mit und so lerne ich wieder dazu.

Zurück im Tal ist es dann bald Zeit für das Abendessen im örtlichen Restaurant. Ich darf am Gemeinschaftsmahl der Workshopleute teilnehmen und komme so in den Genuss eines typischen zypriotischen Meze. Das ist die hiesige Variante der spanischen Tapas – unzählige kleine Portionen von sehr unterschiedlichen Speisen. Serviert allerdings in großen Schüsseln für den ganzen Tisch. Jeder nimmt also so viel er mag.

Ich bin auf die Anzahl der „Gänge“  mental nicht gut vorbereitet, denn als ich gerade erste Sättigungsgefühle verspüre, informiert man mich, „dass es jetzt erst so richtig losgeht.“ Die Vielzahl und Vielfalt der Speisen ist wirklich erstaunlich. Vom einfachen Salat über gefülltes Gemüse, Huhn, Lamm, verschiedene Würste, Bulgur mit Tomaten und Zimt (!) bis hin zu Leber und einer Art Lasagne. Mein Favorit ist aber eindeutig das Rührei mit gebratenen Zucchini drin. Da muss ich mich ganz schön zusammenreißen, die Tischportion nicht alleine zu vertilgen! Nachdem ich so die  zypriotische Kultur in mich aufgenommen habe, bleibt nur noch eins zu tun: Ab ins Bett!

Doch auch der nächste Tag bietet Kultur satt. Im Umkreis des Ortes gibt es einiges zu sehen. Ich erkunde zuerst eine alte Mühle, die natürlich ganz klassisch an einem Bach liegt. Weiter geht es zu einer alten Brücke, die zur Zeit der venezianischen Herrschaft über Zypern errichtet wurde. Von hier sind es nur ein paar Meter bis zur schwefelhaltigen Quelle, die allerdings nicht sonderlich aufregend ist. Doch der Höhepunkt meiner kleinen Kulturerkundung ist das Kloster mit angeschlossenem Ikonenmuseum.

Der Museumsführer geht voll in seinem Job auf. Lang und breit erklärt er mir in euphorisiertem Tonfall die Besonderheiten der Exponate. Ich muss zugeben, dass die meisten Werke wirklich beeindruckend sind, wenn auch einige davon sich in keinem allzu guten Zustand befinden. Auch das Kloster selbst kann mit einer schönen Anlage und prachtvollen Wandbemalungen glänzen.

So auf den Geschmack gekommen, beschließe ich, die angebotene Mitfahrgelegenheit nach Nikosia anzunehmen und mir auch dort die Stadt und ihre Kultur näher anzusehen. Doch mein Bekannter in Nikosia hat erst in zwei Tagen für mich Zeit und Bett. Also muss ein Hotelzimmer her. Zwei weitere Nächte dort würden ein empfindliches Loch in mein Reisebudget reißen. Also gehe ich am Computer auf die Suche nach einer Alternative.

Ich finde sie in einem Ausflug nach Nordzypern. Genauer gesagt in den Ruinen der antiken Stadt Salamis, die sich nahe der Stadt Famagusta befinden. Dorthin breche ich am nächsten Morgen auf.

Zuerst also über die Grenze, die eigentlich keine ist, aber trotzdem wie eine aussieht und funktioniert. Auf griechischer Seite gibt es keinerlei Kontrolle, aber auf türkischer schon. Prompt kriege ich einen Stempel von einem international nicht anerkannten Land in meinem Pass.

Nun heißt es den Busbahnhof finden. Ich nehme mir ein Karte vom Stand des Touristenbüros, aber nach kurzem Studium der groben Karte (immerhin qualitativ besser, als alles, was ich bisher in der Republik Zypern in der Hand hatte), beschließe ich trotzdem, einen Polizisten zu fragen. Erscheint mir einfacher. Die Auskunft ist amüsant. Der Gute verwechselt nämlich kurz Meter und Kilometer, so dass ich nur „600 Kilometer, also gleich da hinten“ laufen soll. Er tippt noch kurz auf die Karte, um mir unseren jetzigen Standort zu zeigen, und wendet sich dann wieder dem Gespräch mit seinem Kollegen zu.

Ich laufe los und habe mich bereits nach 20 Meter komplett im Gewirr der Gassen verirrt. So was passiert mir normalerweise nicht, denn ich habe eigentlich einen guten Orientierungssinn und kann auch Karten lesen. Hier aber bin ich verloren. Kaum eine Gasse hat ein Straßenschild und alles passt überhaupt nicht zur Karte! Es dauert eine Weile, bis ich weiß, wo ich eigentlich bin. Und zwar nicht mal ansatzweise da, wo der Polizist auf die Karte getippt hat! Ganz anderer Grenzübergang! Plötzlich ist der Weg zum Busbahnhof ein Kinderspiel.

Dort angekommen, ergibt sich das nächste Problem. Keine Bussteige, keine Beschilderung, keine Anzeigen, keine Fahrpläne. Selbst die Haltestelle lässt sich nur dadurch erkennen, dass an einem Fleck viele Menschen stehen. Dahinter eine Ladenzeile mit vielen offenen Türen. Ich probiere mein Glück in der ersten und frage nach dem Bus nach Famagusta. „Kommt in fünf Minuten, 9 türkische Lira bitte“ (ca. 3 Euro). Keine Ahnung, woher er das weiß, aber kann man ja mal probieren.

Sechs Minuten später sitze ich im vollbesetzten Minibus und bin auf dem Weg an die Ostküste Zyperns. Die Fahrt ist insofern spannend, da Haltestellen spontan „entstehen“. Winkt jemand am Straßenrand, wird angehalten, damit derjenige zusteigen kann. Genauso umgedreht, wenn man aussteigen will. Einfach dem Fahrer kurz etwas zurufen und er hält. Sogar im (!) Kreisverkehr.

In Famagusta angekommen, brauche ich nun noch eine Fahrt nach Salamis. Doch ich bin am Busbahnhof für Langstrecken angekommen und muss mich erst zum „regionalen“ durchfragen. Klappt mit Englisch alles erstaunlich gut.

Letztlich sind es nur gut 300 Meter, die beide Örtlichkeiten auseinander liegen. Hier ist es noch mysteriöser als in Nikosia. Ein alter Mann scheint hier eine Art Organisator zu sein und spricht mich an, wo ich denn hin will. Salamis? Kein Problem, der Bus kommt in einer Minute. Das erscheint mir arg viel Glück oder Zufall, aber die eine Minute hab ich auch noch.

Prompt hält eine Minute später ein schon gut besetzter Minibus vor mir. Der Alte fordert mich auf einzusteigen. Sicherheitshalber frage ich den Fahrer noch mal, ob er auch wirklich nach Salamis fährt. Er nickt kurz und fährt schon weiter, bevor ich richtig sitze. Nur, um wenige Minuten später wieder anzuhalten. Nix geht mehr, aber alle im Bus sind entspannt. Also harre ich interessiert der Dinge, die da kommen. Nach einigen Minuten kommt uns ein zweiter Bus entgegen. Die Fahrer wechseln die Busse und weiter geht die Fahrt.

Der neue Fahrer kriegt nun von mir auch noch mein Haltewunsch mitgeteilt. Kurze Zeit später bedeutet er mir, auszusteigen. Der Bus brummt davon und mir dämmert, dass vielleicht das Wörtchen „Ruinen“ ganz hilfreich gewesen wäre. Ich stehe nämlich an der Einfahrt zum Fünf-Sterne-Hotel und Casino „Salamis“.

Na gut, an der Rezeption wird man den Weg schon kennen. Und so trotte ich in Wanderklamotten und mit Rucksack in die Lobby des riesigen Hotels. Alle um mich herum sehen so richtig nach Hotelurlaub aus (inkl. All-inclusive Bändchen!). Aber niemand beachtet mich. Ich gehe entschlossen auf einen Mitarbeiter zu und frage nach dem Weg. Er weist ihn mir und ich erfahre, dass zwei Kilometer Fußmarsch am Strand vor mir liegen.

Eine halbe Stunde später stehe ich am Eingang der Ruinen. Ganze drei Stunden erkunde ich das weitläufige Areal. Die alten Badeanlagen aus altgriechischer Zeit sind am besten erhalten und wirklich imposant. Auch das Amphitheater kann sich sehen lassen. Die weiter entfernt liegenden Ruinen der alten Basilika und des Zeustempels sind jedoch bereits so stark verfallen, dass man mit Mühe noch die Grundrisse erkennen kann. An deren Ausmaßen gemessen, müssen das einmal eindrucksvolle Gebäude gewesen sein. Nach der Besichtigung gilt es, einen Schlafplatz zu finden. Ein naher Wald bietet sich an und ich verbringe eine ruhige Nacht.

Am nächsten Morgen will ich zurück nach Famagusta, um mir vor der Rückkehr nach Nikosia noch die dortigen Sehenswürdigkeiten anzuschauen.  Mein Plan ist einfach: Ich stelle mich an die Straße und halte einen Minibus an. Macht man ja hier scheinbar so. Nur leider kommt keiner! Ich verlege mich nach einer Weile auf das klassische Trampen. Daumen raus und warten.

Es dauert zwar eine ganze Weile, aber endlich hält ein Auto. Der nette Fahrer fährt mich bis an das Stadttor in der Stadtmauer, das die Altstadt von den neueren Vierteln trennt. Und so schlendere ich bald durch Famagusta. Ich bin allerdings etwas enttäuscht, denn die Stadt entpuppt sich schnell als Turistenfalle und an allen wichtigen Bauwerken wird gerade gebaut.

Also mit dem Minibus zurück nach Nikosia. Und vom Busbahnhof im türkischen Teil wieder zurück zur Grenze. Auf dem Weg dorthin beschließe ich, meine letzten sieben türkischen Lira auszugeben, da ich für sie keine Verwendung auf der anderen Grenzseite habe.

Ich betrete also einen kleinen Imbiss. Da ich keine Speisekarte entdecken kann, frage ich die Frau hinter dem Tresen, was ich für sieben Lira bekommen kann und erkläre ihr, dass es mein letztes Geld ist. Sie gibt mir zu verstehen, dass sie mir eine Kinderportion zubereiten kann und zeigt mir einen Fleischspieß. Ich willige erfreut ein.

Der Fleischspieß wird im Pitabrot serviert, zusammen mit Gemüse und viel frischer Petersilie. Ungemein lecker! Als ich fertig bin, zahle ich und frage nach der Toilette, um mir meine fettigen Finger zu waschen. Als ich von dort zurückkomme, will ich gehen, doch die Frau ruft mich noch einmal zu sich. Zu meiner großen Überraschung drückt sie mir einen 10-Lira Schein in die Hand! „Mein Chef meint, sie sollten das haben. Busgeld.“ sagt sie und lächelt mich an. Ihr Chef hinter ihr nickt freundlich.

Ich bin betroffen und nun in einer etwas verzwickten Lage. Ich bin ja hergekommen, um mein Geld loszuwerden, will aber die überaus freundlichen Leute durch Zurückweisung nicht kränken. Was tun? Ich bedanke mich, versuche aber gleichzeitig zu erklären, dass ich gleich wieder über die Grenze gehe und kein „Busgeld“ mehr benötige. Sie übersetzt ihrem Chef, der offenbar kein Englisch versteht. Er nickt und erwiedert etwas. Sie übersetzt: „Dann nehmen sie es halt einfach so. Als Geschenk.“ Darauf fällt mir nichts mehr ein. Und so verlasse ich den Imbiss mit mehr Geld, als ich ihn betreten habe.

Die 10 Lira gebe ich in einem anderen Imbiss aus, bevor ich wieder über die Grenze wechsele. Ein denkwürdiger und schöner Ausflug in die Türkische Republik Nordzypern ist zu Ende. Auf griechischer Seite besuche ich nun noch das Archäologiemuseum, das die lange und reichhaltige Geschichte der Insel mit schönen Exponaten erzählt. Wer hätte gedacht, dass es Schweden waren, die die Ausgrabungen der alten Stätten begonnen und die bedeutendsten Funde zu Tage gebracht haben?

Und so endet mein Ausflug nach Zypern. Eine Insel mit alter Geschichte und freundlichen Menschen, die es durchaus wert ist, bereist zu werden. Der nächste Stop der Reise aber heißt Australien. Zwar auch eine Insel, aber von deutlich größerem Kaliber.

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