Von Invercargil aus ging es nun per Bus nach Queenstown, dem Mekka aller Action-Süchtigen in Neuseeland. Doch ganz in der Nähe finden sich auch viele außergewöhnliche Wanderwege, von denen einige auf meiner Liste standen. Queenstown selbst liegt wunderschön am recht großen See Wakatipu, an dessen Ufern ansatzlos mächtige Berge aufragen. Eine wirklich eindrucksvolle Szenerie!
Die meisten Besucher dürften allerdings nicht der Ausblicke wegen in die Stadt kommen, sondern wegen der vielen verschiedenen actionlastigen Angebote. Von Bungeejumping über Jetboottouren bis hin zu Canyoning oder waghalsigem Skydiving ist so gut wie alles zu bekommen, was nur genügend Adrenalin ausstößt. Überflüssig zu erwähnen, dass diese Angebote hauptsächlich junge Leute anziehen und somit auch das Angebot an Bars und Clubs sehr großzügig ausfällt. Kurz gesagt: Genau meine Stadt!
Ok, nicht wirklich, aber ich hatte einige Dinge in Vorbereitung auf die nächsten Wanderungen zu erledigen und so blieb ich gezwungenermaßen zwei Tage im Ort. Leider war in dieser Zeit das Wetter sehr trüb, so das man die großartige Umgebung nur wolkenverhangen genießen konnte. Doch es war auch das perfekte Wetter, um eine Attraktion der etwas anderen Art im wahrsten Sinne des Wortes genießen zu können – einen Burger der Burgerbude „Fergburger„. Vor dem Geschäft gab es zu jeder Tageszeit eine eindrucksvolle Schlange, in die auch ich mich irgendwann einreihte. Da Resultat schmeckte durchaus gut, auch wenn aus mir sicher nie ein Burgerliebhaber wird.
Die Erledigungen gingen in der überschaubaren Stadt ganz gut von der Hand, so dass ich planmäßig zu meiner ersten Wanderung auf dem Routeburn Track aufbrechen konnte, der ca. 65 Straßenkilometer nordwestlich von Queenstown beginnt. Der Routeburn Track ist einer von insgesamt neun sogenannten „Great Walks“ in Neuseeland. Das sind besonders populäre, besonders ausgebaute und angeblich auch besonders schöne Wanderwege, die vom Department of Conservation (DoC) recht intensiv beworben werden. Durch die daraus folgende Nachfrage führt dazu, dass man die Unterkünfte entlang dieser Wanderwege (egal, ob Hütten oder Campingplätze) im Vorfeld buchen muss. Einfach vor Ort erscheinen ist also nicht möglich.
Neben dem Routeburn Track hatte ich noch den Kepler Track sowie den Milford Track gebucht. Letzterer ist der vielleicht populärste Track in Neuseeland und erfreut sich auch einer weltweiten Bekanntschaft. Daher ist er eigentlich schon Monate im Vorfeld ausgebucht, doch ich hatte (mal wieder) Glück und schnappte mir im Januar den Platz von jemandem, der seine Wanderung offenbar abgesagt hatte. Nun hieß es, die Zeit bis zum Start des Milford Tracks sinnvoll zu füllen und da kamen mir die vielen Wanderwegewege in Neuseelands Region Fiordland gerade Recht.
Den Anfang sollte nun der Routeburn Track machen. Pflichtbewußt holte ich meine Tickets im DoC-Besucherzentrum in Queenstown ab und stellte mich dann an die Straße, um per Anhalter zum Track zu gelangen. Nach einer Weile hielt ein Auto und die drei Insassen luden mich ein, sie zumindest bis nach Glenorchy zu begleiten. Die Straße von Queenstown nach Glenorchy führt kurvenreich immer am Ufer des Lake Wakatipu entlang, so dass man von ihr wunderbare Ausblicke auf den See und die umgebende Bergwelt hat. Nicht zu Unrecht gilt sie daher als eine der schönsten Ausflugsstraßen der Welt.
Meine drei Fahrer kamen gerade von einer Hochzeit und da ihr Heimflug erst morgen ging, wollte sie die Zeit mit einer Stippvisite nach Glenorchy überbrücken. Was sie in Glenorchy allerdings sahen, überzeugte sie nicht sonderlich, so dass sie sich spontan entschieden, mich auch noch die restlichen 26 km zum Startort des Routeburn Tracks zu fahren. Sehr gut!
Dort angekommen, schulterte ich meinen Rucksack und beschritt den Routeburn Track. Schon die ersten Meter machten deutlich, dass die Great Walks wirklich für alle Arten von Wanderern gedacht sind: Breite, geschotterte Wege, die von jeglichem Hindernis befreit sind. Nicht wirklich ein Wandererlebnis, aber dafür war die umgebende Natur sehr schön.
Ich hatte an diesem Tag nur 6 km bis zum Campingplatz an der Routeburn Flats Hütte vor mir und so konnte ich mir trotz später Stunde etwas Zeit lassen. Es ging mal wieder durch dichten Wald, der vor intensivem Grün nur so strotzte. An der Hütte angekommen, ging ich noch die restlichen Meter bis zum Campingplatz und stellte dort mein Tarp auf. Hier war die Szenerie wirklich beeindruckend, denn hohe Berge, an deren Hängen die Wolken aufstiegen, rahmten eine weitläufige Wiese ein. Da der Track wie alle Great Walks sehr viel begangen ist, traf ich natürlich auch eine Menge anderer Wanderer und verbrachte so einen gesprächigen Abend.
Am nächsten Morgen stand mir ein recht langer Tag bevor. Zwar waren es nur 22 km bis zur Lake Howden Hut, die ich für diese Nacht gebucht hatte, doch der Track führte mehrere hundert Höhenmeter hinauf auf den Harris Saddle und anschließend wieder hinunter zur Hütte. Ich packte meine Sachen und trabte bei bedecktem Himmel los. Regen war für diesen Tag angekündigt und die Wolken hingen schon bedrohlich tief. Zuerst ging es recht steil hinauf zur Routeburn Falls Hütte, an der man auch die Baumgrenze erreichte. Von dort ging es durch ein offenes Tal hinauf zum Harris Saddle. Leider begann es nun doch zu regnen, so dass die Regensachen zum Einsatz kommen mussten.
Am Harris Saddle angekommen, wurde meine Vorahnung zur Gewissheit: Aufgrund der tiefhängenden und sehr dichten Wolkendecke beschränkte sich die Sicht auf wenige Meter. Vom eigentlich hier vorzufindenden imposanten Bergpanorama war nichts zu sehen. Somit ergab auch ein Aufstieg auf den Gipfel des Conical Hill keinen Sinn und ich trabte etwas missmutig weiter in Richtung der nächsten Hütte, MacKenzie Lake. Zum ersten Mal seit langem hatte mich mein Wetterglück im Stich gelassen.
Der Weg führte nun etwas unterhalb des Kamms am Berghang entlang und man konnte in einigen Situationen die Schönheit der umgebenden Bergwelt erahnen, wenn sich mal ein winziges Loch in der Wolkendecke bot. Der Ausblick auf Lake MacKenzie und die gleichnamige Hütte unten im Tal lag allerdings frei und bot einen schönen Anblick. Dort angelangt, verbrachte ich meine Mittagspause in der schon gut gefüllten Hütte und zog dann weiter Richtung Lake Howden Hut. Der Weg dorthin führte mich an den Earland Wasserfällen vorbei, die wie alle Wasserfälle in der Umgebung durch den Regen ziemlich intensiv sprudelten.
Nun also meine erste Nacht in einer Great Walk Hütte. Ein etwas skuriles Schauspiel, denn alle möglichen Kategorien und Erfahrungsstufen von Wanderern waren vorhanden. Erneut verblüfften mich einige der Gegenstände, die einige Wanderer dabei hatten – elektronische Geräte aller Art standen hoch im Kurs inklusive zweier im Regen gestorbener iPhones. Da wollte wohl auch der Hüttenwart John nicht zurückstehen und so kam ich zu meiner ersten Sicherheitsbelehrung auf einer Wanderhütte inklusive Hinweis auf die Aufbewahrungsorte der Feuerlöscher und die (recht offensichtlichen) Notausgänge.
Am folgenden Morgen regnete es noch immer. Mehr als 100mm Niederschlag pro Quadratmeter waren für eine Periode von nur 32 Stunden vorhergesagt und es schien, als sollte sich das bewahrheiten. Keineswegs ungewöhnlich für die Region, doch durchaus etwas unpassend für meine Wanderung. Es half ja aber alles nix und daher schlüpfte ich wieder in die Regensachen und stapfte weiter in Richtung Caples Track. Denn da der Routeburn Track nur 32 km lang ist, wollte ich meine Wanderung noch auf angrenzende Wanderwege ausdehnen, von denen der Caples Track nun der erste war.
Nach ca. einer Stunde hieß es daher hinauf auf den McKellar Saddle. Auch der Caples Track ist sehr gut ausgebaut und so stellte der Aufstieg selbst im Regen keinerlei Problem dar. Sorgen machten mir da schon eher die Blitze und das Donnergrollen in der Ferne, die allerdings pünktlich kurz vor Erreichen des höchsten Punktes verschwanden. So konnte ich ungefährdet den Sattel überqueren, dessen umgebende Bergwelt auch hier in dichte Wolken gehüllt war. Der Abstieg führte wieder durch Wald und einige ziemlich angeschwollene Zuflüsse zum Caples River hinab zur Mid Caples Hut. In der Hütte hatten andere Wanderer schon ein wohliges Feuer im Ofen entfacht, so dass das Trocknen von mir und meinen Sachen nur eine Frage der Zeit war. Im Laufe des Nachmittages lichteten sich die Wolken nun auch etwas und gaben einen schönen Blick auf die Berge frei.
Der wurde am nächsten Tag noch besser, denn nun war der Himmel überwiegend blau und die Sonne strahlte. Frohen Mutes ging es daher das Tal des Caples River entlang und anschließend das Nachbartal des Greenstone Rivers wieder ein Stück hinauf zur Greenstone Hut. Dort verbrachten wir letztlich nur zu dritt die Nacht in der für 20 Wanderer ausgelegten Hütte – übrigens alles Deutsche, wodurch der japanische Hüttenwart Eiji schon etwas exotisch wirkte.
Leider begann auch der folgende Tag wieder mit Regen und tiefhängenden Wolken. Während die anderen beiden weiterzogen, beschloss ich dagegen, einen Ruhetag auf der Hütte einzulegen. Keine allzu clevere Entscheidung, denn ab Mittag füllte sich die Hütte immer weiter, so dass sie letztlich mit 23 Leuten sogar überfüllt war. Also hieß es am nächsten Tag auf jeden Fall weiterziehen. Mein nächstes Ziel war die Boundary Hütte, die bereits am Mavora Lakes Walkway lag, der hoffentlich nicht so überlaufen war.
Natürlich ging es wieder durch Wald und natürlich begann der Tag wieder regnerisch. Doch der Regen legte sich im Zeitverlauf und auch der Wald hörte nach ca. zwei Stunden auf. Nun trat ich hinaus auf ein breites, grasbewachsenes Tal, das links und rechts von imposanten Bergketten eingerahmt wurde. So gefiel mir das schon besser! Da störte mich der nun einsetzende, recht heftige Wind auch nicht, denn dem konnte durch Anziehen weiterer Lagen Einhalt geboten werden.
Zuerst gelangte ich zur Taipo Hut, die zwar keinen Ofen hatte, ich aber immerhin für mich alleine hatte. Nach der Mittagspause zog es mich aber doch noch weiter zur Boundary Hut, die ich nach weiteren drei Stunden erreichte. Dort traf ich auf ein amerikanisches Pärchen, das den Südinselteil des neuseeländischen Weitwanderweges Te Araroa absolvierte, zu dem der Mavora Lakes Walkway gehört. Wir quatschten ein wenig, waren aber alle von der Wanderung ganz gut erschöpft und gingen früh schlafen.
Kiwi Burn Hut hieß das Ziel für den folgenden Tag. Zwar war es bis dahin ein ganzes Stück, doch der Weg hinter der Boundary Hut führte eine gut zu laufende Fahrspur bis zum Campingplatz am North Mavora Lake entlang, so dass ich gut voran kam. Am Campingplatz angekommen, entschied ich mich für größtenteils Straße statt des alternativen Wanderweges, um zur Kiwi Burn Hut zu gelangen. Ich hatte einfach Lust, das Bergpanorama zu genießen, statt wieder im Wald zu laufen. Die letzte Stunde zur Hütte ging es dann aber doch wieder durch den Wald.
Es war Waitangi Day, der neuseeländische Nationalfeiertag und noch dazu Freitag. Dementsprechend voll war die Kiwi Burn Hütte, in der ich das letzte Bett ergatterte. Doch ich erhielt auch warme Trail Magic, als mich ein Ehepaar zum Abendessen einlud. So musste ich zumindest nicht kochen und hatte etwas Abwechslung im Speiseplan. Sehr nett!
Nun wurde es spannend, denn ich hatte mir vorgenommen, von der Kiwi Burn Hut zum Highway 94 zu wandern, von wo aus ich nach Te Anau trampen wollte. Das Problem: Es gab auf dieser Route keinen offiziellen markierten und gepflegten Wanderweg, sondern nur einen sehr alten und nicht mehr instand gesetzten Pfad. Es stand also eine Querfeldein-Wanderung an. Gespannt verließ ich die Hütte und hatte schon nach wenigen Metern komplett nasse Füsse, denn der Weg führte zuerst durch ein ausgedehntes Sumpfgebiet.
Ich kämpfte mich vorwärts und fand erfreut am Ende des Sumpfes auch eine alte Markierung, der ich immer weiter folgte. Sie führte mich in das wunderschöne Tal des Whitestone River, das ich nun vermutlich ganz für mich alleine hatte. Bei bestem Sonnenschein folgte ich immer weiter dem Flußlauf, wobei ich immer mal wieder die Uferseite wechselte, um an der anderen Seite besser voranzukommen. So gelangte ich schließlich auf eine weite Ebene. Ich folgte ihr etwas flussabwärts und bog dann in ein weiteres Tal ab. Erneut ging es durch sumpfiges Gebiet, in dem ich auch einige Rehe aufschreckte.
Jetzt folgte die anstrengste Passage. Als ich wieder den Wald betrat, konnte ich zwar halbwegs den alten Pfad erkennen, doch er war inzwischen so überwuchert, dass ein Vorankommen äußerst mühsam wurde. Für die ca. drei Kilometer hinab ins Tal des Upukerora River benötigte ich mehr als zwei Stunden. Ständig hieß es, umgestürzte Baumriesen zu umgehen oder in all dem Wirrwarr einfach nur einen halbwegs passablen Weg finden. Doch endlich war es geschafft und ich stand im ebenfalls wunderschönen Tal des Upukerora River. Nun auf zur nicht weit entfernten Army Hut, in der ich die Nacht verbringen wollte.
Die Army Hut erwies sich aber als ziemliche Enttäuschung. Sie war sehr heruntergekommen, so dass ich mich entschloss, doch noch weiter zu wandern und nicht dort zu übernachten. Also den gleichen Weg wieder ein Stück zurück und weiter am Upukerora River entlang. Ich kam wieder relativ flink voran, da ich einer alten Fahrspur folgen konnte. Sie wechselte zwar mehrfach die Flussseite, aber ich hatte sowieso seit Stunden nasse Füsse, so dass das auch keinen Unterschied mehr machte.
Irgendwann bog die Fahrspur in ein anderes Tal ab und ich musste mir wieder meinen eigenen Weg suchen. Zum wiederholten Male an diesem Tag ging es durch Sumpf und erneut schreckte ich einige Rehe auf. Dann folgte wieder ein kleiner Waldabschnitt, bevor es hinunter zu einem kleinen Bach ging. Das Fleckchen war einfach perfekt! Seit mittlerweile 12 Stunden war ich nun auf den Beinen und auch die Sonne neigte sich dem Horizont entgegen, so dass ich hoch erfreut mein Lager aufschlug. Waschen im Bach, Kochen und dann ab in den Schlafsack.
Der nächste Tag sollte mich zur Straße bringen und so stand ich recht früh auf. Wieder ging es im Wald entlang, der hier etwas „aufgeräumter“ war und sich so einfacher laufen ließ. An einem etwas breiteren Bach angelangt, folgte ich diesem wieder und bog dabei Richtung Westen ab. Kurz darauf stieß ich erneut auf eine Fahrspur, die mich letztlich den ganzen Rest des Tages begleitete und sicher zum Highway führte. Hier stellte ich mit nicht mal 30 Sekunden einen neuen persönlichen Anhalterrekord auf und befand mich so bald in Te Anau, der heimlichen „Hauptstadt“ des neuseeländischen Fiordlandes.
Dort setzte nicht nur die übliche Stadtroutine ein, sondern ich gönnte mir auch ein paar Ruhetage, in den ich vornehmlich so gut wie gar nichts tat. Ich fand, das hatte ich mir verdient. Und so endete meine erste Wanderung auf einem neuseeländischen Great Walk, die leider von nicht allzu gutem Wetter geprägt war. Doch aufgrund der Reservierungspflicht bei gleichzeitig hoher Popularität hat man nicht viel Wahl und muss es nehmen, wie es eben kommt. Trotzdem ist die Region durchaus empfehlenswert und alle genannten Wege bieten eine eindrucksvolle und auch abwechslungsreiche Landschaft. Mal sehen, ob sich das in Kürze auch vom Kepler Track und seinem berühmten Bruder Milford Track wird sagen lassen.
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