Unsere Nacht im Budget Inn in Franklin war erholsam und ruhig. Langsam werden wir zu Motel-Profis. Nach dem Frühstück wartete dann auch schon der Shuttle-Bus zurück zum Trail auf uns. Also flink die letzten Sachen gepackt und ab in den Bus. Mit uns wurden noch drei weitere Wanderer zurück auf den Trail gebracht, die ebenfalls im Inn übernachtet hatten. Einer von ihnen war „Animal Planet“, den wir schon kannten. Die anderen beiden waren Kirk und Greg, die noch keine Trailnamen hatten und die wir in den nächsten Tagen noch näher kennen lernen sollten.
Auf dem Parkplatz zum Trail abgesetzt, hieß es nun wieder selber laufen. Zuvor haben wir noch schnell Wasser für den Tag gefiltert, da wir das natürliche Wasser aus den Bergen dem Chlorwasser der städtischen Leitungen deutlich vorziehen.
Der Trail zeigte sich dann von seiner netten, aber ansteigenden Seite. Bei schönem Wanderwetter (leicht bedeckt, kaum Wind) ging es stetig nach oben. Unterwegs überholten wir noch einen anderen Wanderer, der den Appalachian Trail nun bereits zum dritten Mal in Angriff nimmt. Die ersten beiden Male musste er leider abbrechen. Der monströse Rucksack und der schwerfällige Schritt ließen mich auch am Erfolg von Versuch drei zweifeln, aber bekanntlich kommt es ja vor allem auf den Willen an.
Wir kamen jedenfalls gut voran und legten unsere Mittagspause an einem steinernen Aussichtsturm ein. Die Sicht war zwar leicht diesig, reichte aber trotzdem weit ins Land. Es war ein gutes Gefühl, den Blick noch einmal über die Berge schweifen zu lassen, die man schon bezwungen hatte. Vor allem Standing Indian ließ sich gut unter ihnen ausmachen.
Nach der Pause ging es wieder bergauf und bergab der nächsten Shelter entgegen. Wir liefen nun ein Stück mit Animal Planet zusammen. Das gab uns Gelegenheit, ihn nach den mysteriösen Knallereien zu fragen, die wir schon seit geraumer Zeit in der Ferne hörten. Er erzählte uns, dass dies private Schießplätze sind, wo die Leute zu Spaß rumballerten oder für die Jagdsaison übten. Gut, das sie offenbar wirklich weit weg waren. Anomal Planet war jedenfalls sehr entspannt, was uns sehr beruhigte.
Der Weg zog sich etwas und gerade, als wir endgültig genug vom Bergauflaufen hatten, tauchte unvermittelt die Shelter vor uns auf. Sie war allerdings schon gut gefüllt, weswegen wir auf nette Zeltplätze in der Umgebung auswichen.
Für die Nacht hatte der Wetterbericht Regen vorhergesagt und so kam es dann auch. Er hatte jedoch ebenfalls prophezeit, dass er am Morgen wieder aufhören sollte. Auch da lag er richtig. Trotzdem tropfte es natürlich noch gehörig von den Bäumen, so dass wir uns ein ausgiebiges Frühstück für die nächste Shelter aufsparten.
Stattdessen gab es ein paar Poptarts und los ging es. Wir wanderten das erste Mal seit unserem ersten Wandertag mal wieder im Feuchten. Kein richtiger Regen, sondern eher dichter Nebel, aber das war trotzdem nicht allzu angenehm. Es machte jedenfalls Regenklamotten nötig und unter denen kamen wir ganz schön ins Schwitzen. Wenn die Bären schon wach waren (was zweifelhaft ist), würden sie uns auf Kilometer zuvor riechen.
An der nächsten Shelter legten wir unsere verspätete Frühstückspause ein und konnten uns zum ersten Mal in North Carolina in ein Hüttenbuch eintragen. Anschließend ging es weiter den Berg hinab bis zum Nantahala Outdoor Center (NOC), einer Art Outdoorsport- und Freizeitstützpunkt. Immerhin gibt es dort auch einfache Zimmer zu mieten. Weil unsere Zelte recht nass waren und für die folgende Nacht -5 Grad vorhergesagt wurden, bezogen wir ein solches Zimmer mit Doppelstockbetten. Es war eher mässig, würde uns aber über die Nacht bringen.
Obwohl wir am nächsten Morgen schon früh wach waren, vertändelten wir den Tagesanfang etwas, so dass wir erst 10:30 Uhr loskamen. Damit war der Plan für den Tag schon vor dem Loslaufen obsolet. Das sollte sich im Laufe des Tages noch als fatal oder als Glücksfall herausstellen – je nach Sichtweise.
Wir liefen also los. Petrus hatte sich erneut für Wolken entschieden. Und zwar die tiefhängende Variante, so dass wir durch sie durch mussten. Denn der Trail stieg nun wieder von 1700 Fuß auf über 4700 Fuß an. Es galt also, ca. einen Höhenkilometer zu überwinden. Der A.T. hielt sich nicht lange mit der Vorrede auf, so dass es aus dem Stand gleich ordentlich bergauf ging. Obwohl es nur ca. 7 Grad warm war und wir recht wenig an hatten, schwitzten wir bald ganz gut.
Die Landschaft war perfekt für eine Märchenverfilmung – wir liefen durch Wolkendunst auf einem steilen Pfad bergauf über Stock und Stein, während die Pflanzen am Wegesrand noch ihr nächtliches Kleid aus Reif trugen. Durchaus schön und beeindruckend, aber auch etwas mystisch.
Gegen 14:00 Uhr kamen wir nach ca. 7 Meilen an der nächsten Shelter an. Jetzt ergab sich ein Dilemma und der verzögerte Tagesanfang holte uns ein. Bis zur nächsten Shelter war es zu weit, um sie noch im Hellen zu erreichen, alle Hostels entlang der in erreichbarer Distanz befindlichen Straße waren ausgebucht, sinnvolle Campingplätze gab es unterwegs laut Karte nicht und nach nur 7 Meilen wollten wir noch nicht den Tag beenden. Was also tun? Erst mal Mittag machen!
Da unsere Entscheidungsfindung dadurch auch nicht schneller wurde, blieb uns irgendwann nur noch die Option, in der Shelter zu bleiben. Auch ok, denn wir waren ja schließlich nicht auf der Flucht. Entspannt machten wir uns in der für 14 Leute ausgelegten Shelter breit. Das war aber etwas voreilig, denn im Laufe des Nachmittags kamen immer mehr Wanderer, so dass die Anzahl der Leute auf letztlich 19 anwuchs und wir etwas zusammen rutschen mussten. Es war eine ziemlich bunte Truppe. Neben uns gab es noch zwei weitere Deutsche (Andy und Ricarda („Pancake“)) sowie zwei Australier („Vegemite“ und „Wiki“) neben den ganzen Amerikanern. Unter denen waren beispielsweise auch Kirk und Greg.
In der Folge ergab sich natürlich ein ziemlich intensives Gequatsche quer durch alle Nationalitäten. Wider Erwarten war es aber sehr lustig und unterhaltsam. Wichtigste Themen: Essen und Ausrüstung. Es ist schon sehr skurril zu sehen, was manche dabei haben. Zum Beispiel literweise Bier und Whisky. Oder auch ein großes Buschmesser, das dem Träger gleich mal den Trailnamen „Dundee“ einbrachte.
Nachdem alle gegessen hatten und ihre Plätze bezogen hatten – einige zogen aufgrund der vielen Leute vor zu zelten und somit war in der Shelter genügend Platz – zog dann tief in der finsteren Nacht Ruhe ein im Shelter. Nach herkömmlicher Zeitrechnung war es allerdings gerade mal 19:30 Uhr.
Der nächste Morgen brachte eine weitere interessante Situation. Alle 19 Leute in der Shelter hatten natürlich am Abend in den Guide geschaut und dabei festgestellt, das diese Shelter zwar für 14 Leute, die nächste und übernächste aber nur für jeweils 6 Leute ausgelegt waren. Also begann ein unausgesprochener Wettlauf um einen schnellen Start. Es wurde wuselig in der Shelter. Trotzdem blieb noch Zeit für ein nettes Gruppenbild.
Obwohl wir morgens immer (noch) sehr lange brauchen (z.T. zwei Stunden vom Aufstehen bis zum Loslaufen), sind wir insgesamt doch recht zügig unterwegs, da wir durch unser sehr leichtes Gepäck im derzeitigen Gelände deutliche Geschwindigkeitsvorteile haben. Somit holten wir viele im Laufe des Tages wieder ein und überholten sie.
Der Tag entwickelte sich dann auch zu einem unserer schönsten bislang auf dem Trail. Zuerst einmal hatte sich das Wetter zwar schon wieder für Wolken entschieden – diesmal aber unter uns. Ein erhabenes Naturschauspiel! Da wollte sich auch der Appalachian Trail nicht lumpen lassen und lüftete auf einem Gipfel kurz nach der Shelter seinen so häufig geschlossenen Waldvorhang um einen tollen Aussichtspunkt freizugeben. Wir genossen einen grandiosen Blick auf das Wolkenmeer unter uns, aus dem die Berge wie kleine Schokostreusel herausragten.
Aber da war ja noch der Shelterwettlauf! Also wieder zurück auf den Trail und ab ins Tal. Während wir liefen, löste die Sonne auch die Wolken auf, so dass wir bei bestem Sonnenschein im Tal Mittag machen konnten. Mittlerweile hatten wir auch nur noch für einen Tag Essen in den Rucksäcken, so dass wir diese kaum noch spürten.
Das war auch ganz gut so, den gleich nach dem Mittag hielt der A.T. einen „Jakobsleiter“ genannten Streckenabschnitt für uns bereit. Dort ging es auf ca. 800 m Strecke ca. 200 Höhenmeter nach oben. Mittlerweile sind wir aber so gut eingelaufen, dass uns das auch nur noch kurz außer Atem bringt.
Den Rest des Tages ging es bei herrlichem Sonnenschein endlich auch mal ein wenig den Kamm entlang – etwas, das sich vor allem Philipp schon länger gewünscht hat. Er hat sich übrigens mittlerweile auch einen Trailnamen gegeben – „Pillow“.
Gegen 16:30 Uhr kamen wir dann an der Cable Gab Shelter an, wo schon Kirk und Greg auf uns warteten. Wir waren uns sicher, dass niemand der anderen heute ebenfalls diese 16 Meilen laufen würde, was sich auch bestätigte, so dass wir zu fünft blieben. Obwohl die Shelter für sechs Leute angegeben war, war sie leider dreckig und schief, so dass wir alle zelteten. Der Abend brachte dann noch einige spannende und lustige Gespräche, die sich mal wieder hauptsächlich um Essen drehten. Daran sind aber meistens auch wir schuld, da wir jeden Amerikaner nach Essenstipps fragen. Kirk und Greg fielen eine Menge Tipps ein, wobei sich bald herausstellte, dass in fast allen Erdnussbutter vorkam. Scherzhaft bezeichneten wir sie schon als Erdnussbutterverkäufer. Es war wie gesagt ein lustiger Abend.
Am nächsten Morgen hatten wir es nicht eilig, da wir nur bis Fontana Dam, also ca. 5,5 Meilen weit wollten. Dort gibt es eine der bekanntesten A.T. Shelter, deren Bekanntheit nicht nur von ihrer Größe (20 Personen), sondern vor allem von dem Fakt herrührt, dass sie als einzige auf dem A.T. über Duschen verfügt. Und dann auch noch warme! Kein Wunder, dass sie den Beinamen „Fontana Hilton“ trägt!
Das wollten wir uns unbedingt anschauen und gleichzeitig dort auch unsere Vorräte für den dort beginnenden Great Smoky Mountains National Park auffüllen. Wir hatten also einen etwas entspannteren Tag geplant und ließen uns Zeit. Trotzdem staunten wir nicht schlecht, wie viele Wanderer schon unterwegs waren und an der Shelter vorbei liefen.
Wir waren gerade beim Zähneputzen, als einer dieser Wanderer anhielt und sich suchend umblickte. Ich sprach ihn einfach mal an. Er streckte mir seine Hand entgegen und stellte sich als „Odysseus“ vor. Und auf das, was dann kam, war ich nicht vorbereitet. Er sprach weiter und meinte, er sucht drei deutsche Thru-Hiker, zwei Männer und eine Frau. Sie seien wohl ziemlich tolle Wanderer und finden immer die besten Shelter. Viele Leute haben unterwegs von ihnen erzählt und nun möchte er sie gerne treffen. Ob wir sie denn kennen. Ich vergaß weiter zu putzen.
„Naja, wir sind durchaus Deutsche und wir sind auch zwei Männer und eine Frau, aber wir würden uns nicht gerade als außergewöhnliche Wanderer bezeichnen.“ „Aha. Ok.“ Er wirkte enttäuscht und auch irgendwie teilnahmslos. Offensichtlich hatte er sich seine „Helden“ ein wenig anders vorgestellt. Oder wer weiß, was der Trail Talk uns angedichtet hatte? Er stapfte weiter.
Das war zu skurril und ließ mir keine Ruhe. Vielleicht waren wir ja gar nicht gemeint? Vielleicht war das nur Zufall? Immerhin gibt es viele Deutsche auf dem Trail. Das wollte ich genauer wissen. Schnell packten wir und nahmen die „Verfolgung“ auf.
Wir holten ihn bald ein und fragten ihn ein wenig aus. Ob er den die Trailnamen der Gesuchten kenne? Ja, der eine nennt sich wohl „Pillow“. Ok, offensichtlich suchte er wirklich uns. Warum genau er uns suchte, war uns jedoch nach dem Gespräch immer noch nicht klar. Ihm vielleicht auch nicht mehr, nun da er uns gesehen hatte. Wir nahmen es belustigt zur Kenntnis, ein wenig Trailgespräch zu sein und liefen nach Fontana Dam.
Dort erlebten wir gleich zwei Enttäuschungen. Zum einen war die Straße viel zu gering befahren, so das eine Fahrt per Anhalter in die nächste Stadt zum Einkaufen aussichtslos war. Das war vor allem auch deshalb ärgerlich, weil wir uns schon ein leckeres „All you can eat“ – Buffet ausgemalt hatten. Zum anderen war die Auswahl in der örtlichen Tankstelle naturgemäß sehr übersichtlich und die Preise astronomisch. Wir schafften es aber trotzdem nach längerer Knobelei, uns für die nächsten Tage auszustatten und zogen dann in Richtung „Hilton“.
Der A.T. verläuft ca. 3 Meilen außerhalb der Ortschaft Fontana und da Thru-Hiker nur auf dem Trail laufen wollen, für andere Strecken aber zu faul / träge sind (ja, wir auch!), haben findige Geschäftsleute einen Shuttle-Service zwischen Trail und Ort eingerichtet (3$ pro Person und Richtung). Auch wir nutzten diesen Service. Der Fahrer erzählte uns dann, dass er am 5.3. mit den Leuten am A.T.-Start im Amicalola State Park telefoniert hat. Zu dem Zeitpunkt ballten sich dort 189 Wanderer an einem einzigen Tag, die auf den Trail wollten. Wenn man bedenkt, dass wir die „Startnummern“ 71-73 dieses Jahr (!) waren, eine enorme Zahl. Wir wollten uns den Trail und vor allem die Shelter in Georgia lieber nicht vorstellen und waren froh, diesem Ansturm ca. 170 Meilen voraus zu sein.
Die Shelter „Fontana Hilton“ war dann wirklich überdurchschnittlich groß und die warmen Duschen waren ernsthaft vorhanden! Zu allem Überfluss waren auch die anderen Hiker sehr nett, worunter neben neuen Gesichtern auch „alte Bekannte“ wie Andy, „Pancake“ oder „Animal Planet“ waren. Und so fand dieser seltsame Tag doch noch ein vergnügliches Ende.
Statistik zu diesem Abschnitt
Reisezeitraum: 02.03.2014 – 06.03.2014
Tage auf dem Appalachian Trail insgesamt: 15
Gewanderte Kilometer in diesem Abschnitt: 90,1
Gewanderte Kilometer auf dem Appalachian Trail insgesamt: 266,8
Trail Magic auf diesem Abschnitt:
– jeweils 2 kleine Packungen Energie-Gel und Erdnußbutter
Sonic
Servus,
es gibt noch andere Shelter mit warmer Duscher. Der 501 Shelter hat eine und wenig später vor Harpers Ferry ist noch einer.
Viele Grüße,
Sonic
Robert
Hallo Sonic,
Danke für den tollen Hinweis! Das war und so bislang noch gar nicht bewusst und wir sind bisher davon ausgegangen, dass es die einzige Shelter mit Dusche ist. Da haben wir ja jetzt noch etwas, worauf wir uns noch freuen können! :-)
Basisstation
Na das ist ja ein ausführlicher und amüsanter Bericht, Ihr deutschen „Helden“ vom Trail.
Trefft Ihr eigentlich auch tierische Waldbewohner auf Eurer Wanderung ?
Weiterhin alles Gute für Eure Füße, so dass Ihr gut voran kommt!!
Liebe Grüße von Va-T und Mu-T!
Robert
Was die tierischen Waldbewohner angeht, so haben wir bisher eher die kleineren angetroffen. Eichhörnchen, Vögel und ab und an mal eine Spinne oder ein anderes Insekt. Die größere Tiere wie Rehe, Hirsche oder sogar Bären haben wir noch nicht angetroffen. Sehr schade, aber uns bleiben ja noch einige Kilometer um das nachzuholen. Ich hoffe auch sehr, dass wir weiter im Norden auch mal auf Elche treffen. Es bleibt jedenfalls spannend!
Fichtner
Viel Erfolg und Spaß!
Fam. Fichtner
Robert
Dankeschön! :-)
christiane
Lese fleissig mit und muss gestehen dass es immer besser/verlockender klingt. Aber vielleicht waren es auch nur die Duschen vom Fontana Hilton ;) Auf jeden Fall sehr interessant und spannend. Lustig erzaehlt! Macht Spass mitzulesen! Frohes Wandern!
Robert
Danke Dir! Der Winter zeigt auch gerade hoffentlich letztmalig seine Krallen. Und Duschen sind immer gut. ;-)
Polarfuchs
Gruppenbild Shelter: bis auf ein paar Ausnahmen alles Frauen …, ist das auf dem ganzen Trail so? Sind da die Männchen eher die Waschlappen?
Robert
Nein, das ist Zufall. Außerdem waren einige Männer zum Zeitpunkt der Aufnahme schon los. Generell gibt es aber auch recht viele weibliche Thru-Hiker. Viele davon sind auch alleine unterwegs.