Startseite » Geschichten » Geschichten » Von Daleville, VA nach Waynesboro, VA

Von Daleville, VA nach Waynesboro, VA

Frisch geduscht und gut erholt machen wir uns nach unseren Ruhetagen wieder auf den Weg. Leider jedoch zwei Stunden später als geplant, da wir den Wecker um sechs Uhr einfach überhören und weiterschlafen. Mist! Damit gehen uns zwei wertvolle Stunden beziehungsweise zusätzliche Meilen verloren. Wir haben uns vorgenommen, ab sofort nochmal eine Schippe drauf zu legen und möglichst 20+ Meilen am Tag zu laufen. Laut unserer Planung können wir so ein paar Extrameilen ansammeln, die wir zum Ende hin, aufgrund des schwieriger werdenden Terrains, noch brauchen werden. Immerhin schaffen wir heute aber noch 18,5.

Das Gelände ist verhältnismäßig leicht, der Weg „aufgeräumt“ und auch das Wetter spielt mit.
Am Abend erreichen wir die Bobblets Shelter, an der auch schon Pillow, Extramile und Ironman eingetroffen sind. Gemeinsam essen wir Abendbrot und haben mal wieder jede Menge Spaß. Ironman kann zum Glück auch wieder lachen. Er hatte sich den Magen verdorben, ist aber wieder auf dem Weg der Besserung.

Robert und ich entscheiden, neben der Shelter im Zelt zu schlafen, da wir uns für morgen wieder einen Wecker auf sechs Uhr stellen wollen. Da die anderen meist erst gegen sieben aufstehen, wollen wir sie nicht schon vorher wecken. Mal schauen, ob wir es morgen pünktlich halb acht an den Start schaffen…

Wir sind stolz auf uns: Punkt sechs Uhr stehen wir auf und sind somit wie geplant um 7:30 Uhr auf dem Trail. Dieser ist heute deutlich anspruchsvoller als gestern und beginnt direkt mit einem ordentlichen Anstieg.

Unterwegs treffen wir ein paar nette Tageswanderer, die uns ein paar hilfreiche Tipps bezüglich des vor uns liegenden Wegabschnittes und der Wasserversorgung geben.
Nach 18,4 Meilen schlagen wir unser Zelt in der Nähe der Cornelius Creek Shelter auf, in der wieder auch Pillow, Ironman und Extramile nächtigen. Außerdem treffen noch ein paar Wochenendwanderer ein, die über Ostern ein paar Kilometer laufen möchten. Ostereier hat leider keiner von ihnen dabei. Ich sehne mich schon seit Tagen nach einem Schokoladen- Osterhasen. Den werde ich suchen, wenn wir am Sonntag in Buena Vista einkaufen gehen und ihm genüsslich in die Löffel beissen. Bis dahin muss der Müsliriegel zum Nachtisch genügen.

Pflichtbewusst stehen wir auch an diesem Morgen wieder um sechs Uhr auf. Von Urlaub kann keine Rede sein, wir müssen beziehungsweise wollen schließlich vorwärts kommen. Da es jetzt jedoch morgens schon früher hell und vor allem wärmer ist, muss man sich nicht mehr allzu sehr überwinden aufzustehen. Pillow und die beiden anderen sind ebenfalls schon auf den Beinen und holen uns im Laufe des Vormittags bestimmt ein.

Als Robert und ich unsere erste Pause machen, kommt zunächst Ironman um die Ecke. Er hat heute besonders flinke Füße, da seine Frau, die er zwei Monate lang nicht gesehen hat, heute für eine Woche zu Besuch kommt. Wir alle wollen sie an einem Parkplatz der VA 501, einer Art Bundesstraße, über die der Weg verläuft, treffen. Bis dahin sind es 19,9 Meilen. Die nächsten zwei Stunden laufen wir mit ihm gemeinsam, bis wir an einem schönen Aussichtspunkt eine Pause einlegen.

Wir kommen auf das Thema Schokolade und Kirk zaubert mir einen Snickers aus seinem Rucksack. Das ist mein Ostergeschenk, ich freue mich riesig! Hatte ich doch beim letzten Einkauf keine Schokolade gekauft, da sie bei diesen Temperaturen schmelzen könnte. Ein großer Fehler :)

Nach einigen Minuten trifft auch Pillow ein, allerdings zu unserer Verwunderung, ohne Extramile. Dem ist heute gar nicht nach wandern! Er hat schmerzhafte Blasen an den Füßen, Kopfschmerzen, fühlt sich schwach und schwindelig. Ein Albtraum, aber er ist sehr tapfer und kämpft sich langsam aber stetig voran. Nachdem er uns während einer Pause eingeholt hat, laufen wir die letzten fünf Meilen in seiner Nähe. Wir sind ein Team und lassen niemanden zurück! Zu unserem Glück verlaufen die letzten Meilen bis zum Parkplatz entlang eines Baches und damit ohne Auf- und Abstiege.

Erleichtert kommen wir drei um 18:30 Uhr am Ziel an, wo bereits Ironman und Pillow aufgeregt warten. Dena, Kirks Frau, müsste jeden Moment um die Ecke biegen. Kirks Vorfreude ist grenzenlos. „Heute ist Dena- Tag“, hat Pillow ihm auf deutsch beigebracht.

Da es Craig so schlecht geht, fällen er und Craig die Entscheidung, bereits heute nach Buena Vista zu fahren und dort morgen einen Ruhetag einzulegen. Wir wollen mitkommen und einkaufen beziehungsweise im Motel übernachten und am nächsten Morgen weiterlaufen. Während wir diese Entscheidungen treffen und uns auf der Karte ein Motel heraussuchen, vergehen nahezu zwei Stunden, aber Dena kommt nicht. Handyempfang gibt es natüich mal wieder nicht und so können wir sie nicht anrufen.

Kirk macht sich Sorgen und läuft in die Richtung, aus der sie kommen müsste. Derweil hat Robert die Idee, ein Auto anzuhalten, um in die entsprechende Richtung zu fahren. Craig liegt während dessen auf der Isomatte auf dem Parkplatz und wir alle hoffen, Dena ist nichts passiert.

Kurze Zeit später hält ein Auto und wir fahren alle Richtung Buena Vista. Ironman gabeln wir ein paar Ecken weiter auf, bis er einige Sekunden später Dena in ihrem Auto entgegen fahren sieht, während er mit ihr telefoniert. Helen, unsere Fahrerin legt eine Vollbremsung ein und Ironman hüpft ins Auto zu Dena. Puh, das ist gerade nochmal gut gegangen. Dena hatte einfach an dem falschen Parkplatz gewartet und sich auch schon furchtbare Sorgen um uns gemacht. Was für ein Tag!

Happy Easter! Unseren Osterspatziergang machen wir heute zur Feier des Tages ohne Rucksäcke. Dena und Kirk fahren uns zum Parkplatz von gestern Abend zurück und werden uns Abends, zwanzig Meilen später wieder abholen und zurück zum Motel fahren. „Slackpacking“ nennt man diese Art zu wandern.

Der Weg ist sehr schön und führt die letzten paar Meilen flach an einem Fluss vorbei. Wir sind trotz der fehlenden Rucksäcke nicht sehr viel schneller unterwegs, da wir das schöne Wetter genießen und die Pausen etwas ausdehnen. Der Osterhase läuft uns jedoch leider nicht über den Weg und hat auch keine Eier für uns versteckt. :(

Dafür begegnen wir einer Springmaus, die zunächst in Totenstarre mitten auf dem Weg sitzt und sich von uns fotografieren lässt. Als Pillow jedoch weiter gehen möchte, erwacht sie auf einmal zum Leben und springt in hohem Bogen davon.

Kaum weniger agil war auch Nubbins, eine 69- jährige Wanderin, die allein von Pearisburg nach Maine läuft. Wir treffen sie kurze Zeit später und sind sehr beeindruckt von ihr. Sie hat schon viele Wanderungen unternommen und scheint sehr genau zu wissen, was sie tut. Wir hoffen, sie bleibt gesund und munter und erreicht ihr Ziel.

Wir erreichen unseres, zumindest für diesen Tag, kurze Zeit später: eine Art Bundesstraße. Und bereits das erste Auto, das vorbei fährt, hält. Da ist er also doch noch, unser Osterhase :)

Er fährt uns zurück zum Motel, so dass wir Dena und Kirk nicht belästigen müssen. Zu unserer Überraschung haben ebenfalls Timeout und Crunchie im gleichen Motel eingecheckt. Craig fühlt sich auch wieder besser, so dass er und Kirk morgen weitergehen werden. Wir werten alle kurz unseren Tag aus und ziehen uns dann in unsere mehr oder weniger schönen Zimmer zurück.

Nachdem wir uns heute mal etwas ausgeschlafen haben, fährt uns Dena netterweise zurück zum Trail. Heute wandern wir wieder mit unseren Rucksäcken und planen 20,6 Meilen bis zur Priest Shelter zurückzulegen. Gleich zu Beginn geht es steil bergauf und die Sonne scheint uns in den Nacken. Gut, dass ich Sonnencreme mit Lichtschutz Faktor 110 dabei habe.

Nach ca. sechs Meilen sehen wir schon von weitem eine Art Flohmarktstand aus Zeltplanen, an dem sich ein paar Leute tummeln. Als wir näher kommen sehen wir zu unserer Freude, dass es Freshground ist. Er ist ein Trail Angel und gibt vorbeikommenden Wanderern Essen und Getränke. Wir hatten ihn zu Beginn kurz vor Neel Gap getroffen und auch er freut sich, uns nun knapp 800 Meilen später, wiederzusehen.

Sofort drückt er jedem von uns ein Hot Dog in die Hand. Crunchie und Timeout, die bereits 10 Minuten vor uns ankamen, lehnen bereits dankend ab, da sie schon jeweils drei verdrückt haben. Freshground kommt jetzt jedoch erst richtig in Fahrt. Hektisch reicht er Milkmonsta einen Sack Kartoffeln, die er zu Pommes schneiden soll und die anschließend in heißem Fett frittiert werden. Sie sind köstlich und wir können uns kaum bremsen, wären da nicht noch die vierzehn Meilen bis zur Shelter… Ich trinke noch einen Kaffee und wir verewigen uns mit Polaroid- Fotos in seinem „Poesiealbum“.

Gemeinsam mit unseren britischen Freunden machen wir uns mit viel zu dicken Bäuchen wieder auf den Weg. Der Weg ist zwar gut ausgebaut, aber die Meilen ziehen sich und wir kommen gefühlt nur schwer voran. Erst zwei Stunden später, nach sieben Meilen, legen wir wieder eine Pause ein. Es ist bereits 18 Uhr, aber wir wollen die letzten Meilen unbedingt noch schaffen. Da es ab ca. 20:30 Uhr dunkel ist, wird das wohl eine Punktlandung. Wir werden es aber schon schaffen. Der Weg ist deutlich angenehmer als zuvor, was wahrscheinlich auch an der untergehenden Sonne liegt. Kurz bevor es komplett dunkel ist, erreichen wir die Shelter.

Diese ist bereits komplett belegt, aber es gibt genügend Zeltplätze drum herum. Ein Tageswanderer kommt interessiert zu uns und ist völlig platt, als wir ihm erzählen, dass wir heute zwanzig Meilen gelaufen sind und das morgen auch wieder vorhaben. „Die müssen ja völlig fertig sein“, scheint er zu denken, denn er versucht schnellstmöglich einen geeigneten Zeltplatz für uns zu finden. Wir sind auch sehr stolz auf unsere Leistung und legen uns nach einem schnellen, kalten Abendbrot in unsere Schlafsäcke.

Am folgenden Morgen stimmt irgend etwas nicht. Pillow legt sich direkt nach dem Toilettengang wieder in den Schlafsack und sieht nicht glücklich aus: Durchfall und Krämpfe, sagt er, als ich ihn frage, ob alles OK ist. Schnell wird klar, wir müssen hier einen Ruhetag einlegen. Der Arme quält sich den ganzen Tag, muss brechen und hat Durchfall im Wechsel. Am Mittag fühle dann auch ich mich schlecht, bin furchtbar schlapp und bekomme Magenschmerzen. Was für ein Mist! Milkmonsta versucht uns mit den vorhandenen Mitteln aufzupeppeln, aber beide bekommen wir kaum einen Bissen runter. Wenn dieser Tag bloß schnell vorbei geht!

Nach einem erholsamen Schlaf stehen wir am nächsten Tag auf und essen ein bisschen Haferbrei. Als Pillow Sekunden später ohne Worte und schnellen Schrittes zum Plumsklo geht, wissen wir, wir müssen schnellstmöglich in die nächste Ortschaft. Der nächste Ort Waynesboro ist 30 Meilen entfernt. Dort gibt es ein Hostel („Stanimal’s Hostel“), dessen Eigentümer laut unseres Reiseführers auch shuttelt. Ob er uns wohl auch vier Meilen von hier, gefühlt mitten im Nirgendwo abholt? Milkmonsta ruft ihn an, erzählt ihm von unserem Ernstfall und wir haben Glück: Adam, selbst AT-Thruhiker zögert nicht lange und sagt, er ist in vier Stunden da.

Wir sind erleichtert, packen flink unsere Sachen zusammen und machen uns auf den Weg. Bis dahin wussten wir nicht, wie beschwerlich 4,8 Meilen sein können. Aber wir beissen die Zähne zusammen bis wir endlich am vereinbarten Parkplatz ankommen. „Hoffentlich kommt Adam wirklich“, denken wir uns. Ein paar Minuten später kommt tatsächlich ein Auto: Er ist es! Wir sind ihm unendlich dankbar und steigen erleichtert ein. Unterwegs hält er sogar noch schnell bei der Post, wo ein Paket auf Pillow von seiner Freundin wartet. Das peppelt ihn sicher schnell wieder auf!

Adams Hostel erweist sich als sauberes, gemütliches Domizil, in dem wir sicher schnell wieder auf die Beine kommen. Ob wir morgen weiterlaufen, steht zu diesem Zeitpunkt noch in den Sternen. Wir warten ab, wie es uns morgen früh geht und entscheiden dann.

Nachdem wir ausgeschlafen haben, gehen wir zum frühstücken zu einem nahegelegenen Café. Pillow geht es schon deutlich besser. Er hat immerhin auch wieder Appetit. Auch ich habe keine Magenschmerzen mehr und so ziehen wir los.

Nach dem Frühstück entscheiden wir, für die nächsten Tage einzukaufen, dem Outdoorladen einen Besuch abzustatten (ich könnte auch mal ein paar neue Schuhe gebrauchen) und erst morgen weiter zu laufen. Wir wollen einfach nichts riskieren und vor allem Pillows Körper muss sich erst nach und nach wieder an feste Nahrung gewöhnen. Wir sind uns aber sicher, morgen wieder fit zu sein.

Wer jedoch leider nicht mehr mit dabei sein wird ist Craig. Er und Kirk sind mittlerweile zwar auch in Waynesboro eingetroffen, allerdings hat sich Craigs Fuß so stark entzündet, dass er zum Arzt musste. Dieser hat ihm nun heute auch empfohlen, die Wanderung an dieser Stelle zu beenden. Wir sind sehr traurig, denn es hat viel Spaß mit ihm gemacht. Die Gesundheit geht aber natürlich wie immer im Leben vor und so ist es sicher das Beste, auf den Arzt zu hören. Kirk wird nun zunächst allein weiterlaufen. Wir hoffen, ihn nicht zu verlieren und auch mit Craig in Kontakt zu bleiben. Er wird uns fehlen, das ist sicher!

Statistik zu diesem Abschnitt

Reisezeitraum: 17.04.2014 – 24.04.2014

Tage auf dem Appalachian Trail insgesamt: 64

Gewanderte Kilometer in diesem Abschnitt: 167,4

Gewanderte Kilometer auf dem Appalachian Trail insgesamt: 1332,5

Trail Magic auf diesem Abschnitt:
– Hot Dogs und andere Leckereien von Fresh Grund
– 2 Fahrten per Anhalter
– „Rettungsfahrt“ von Adam „Stanimal“

5 Responses

  1. Mary Ellen Morris
    | Antworten

    Hi Katerina, You three are all making great progress on the trail and getting closer to the halfway point! Glad you all recovered quickly from your stomach bug, but unfortunately lost Extramile for a while due to infected blisters. The doctor said Craig’s foot is healing well and he can get back on the trail in 2 weeks. He is looking forward to rejoining Ironman and all the great hikers/friends he’s met along the way! It looks like the weather is getting warmer and spring is finally really here, soon you’ll see lots of beautiful flowering rhododendrons and mountain laurel on the trail . I look forward to hearing about your next adventures and stories. Best-Mary Ellen

  2. Beate
    | Antworten

    Liebes Trio, almost heaven, West Virginia! Herzlichen Glückwunsch, Ihr habt die Hälfte Eures großen Zieles erreicht! Wir bewundern Eure Leistung und freuen uns, dass Ihr bis auf kleine Zipperlein stetig diszipliniert Euren Weg geht! Ihr seht richtig gut aus auf dem obigen Foto ! Wir freuen uns, auch wenn wir mit Wehmut hören, dass Euer Freund Craig nicht mehr dabei ist – trotzdem habt Ihr eine Freundschaft fürs Leben geschlossen und seht Euch bestimmt mal wieder!!! Die Welt ist „klein“! Wir empfangen Euch gerade prima hier auf Borneo und stellen uns vor, wie Ihr bei gefühlten 26’C Meerwassertemperatur vergnügt planschen würdet!!!! Bleibt weiterhin stark und gesund, um Mount Kathadin zu erreichen – das Erhohlungs- und Verwöhnprogramm wird folgen und Eure sportlichen und mentalen Leistungen bleiben für immer ein Baustein in Eurem Leben!!!! Wir sind stolz auf Euch!!!
    Herzliche Grüße von Uwe und Beate ( PuM)

  3. christiane
    | Antworten

    Na dann habt Ihr jetzt hoffentlich alle mal Euren Krankheitstag gehabt und nun kann nix mehr schiefgehen! Also, viel Kraft und frohes Wandern. Falls Ihr ein Update habt wann Ihr hier in PA eintrudelt sagt mal Bescheid.
    Bis ganz bald,
    Christiane

  4. Joe
    | Antworten

    Nettes Foto, das mit den 4 Männern

  5. Stefie&Basti
    | Antworten

    Hoffentlich bleibt ihr weitestgehend gesund, so dass ihr Euer Ziel gut und sicher erreichen werdet. Auf jeden Fall war dies wieder eine unterhaltsame und spannende Annekdote von Euch! Viele Grüße!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert