Obwohl wir sehr gut geschlafen haben, war der gestrige Tag mit all der Trail Magic von Mary kein Traum (Milkmonsta hat das ja im letzten Blogeintrag ausführlich beschrieben). Zum Beweis legt Mary am heutigen Morgen gleich nach. Sie holt uns von unserem Motel ab und fährt mit uns in ein kleines Restaurant zum Frühstücken. Hier warten ein Mix aus deftigen und süßen Speisen und vor allem riesige Portionen auf uns. Was für ein Start in den Tag! So gönnt sich Milkmonsta zum Beispiel ein Steak zum Frühstück.
Doch unabhängig vom Essen: Mary ist einfach fantastisch und ein echter Trail Angel! Eine durch und durch sympathische Person, mit der wir über alles mögliche reden. Ich könnte glatt noch einen Tag bleiben, doch der AT ruft. Also fährt uns Mary zurück zum Trail, wo sie noch schnell unsere Rucksäcke „testet“. Dann aber heißt es Abschied nehmen. Es sind solche unglaublichen Menschen und Erlebnisse, die unser Abenteuer so schön und unvergesslich machen. Danke Mary!
Wir laufen gar nicht allzu weit, als wir schon wieder „beschenkt“ werden. An einem kleinen Fluss finden wir Trail Magic. Da es sich dabei jedoch um Root Beer handelt, eine alkoholfreie Brause, die nach Medizin riecht und leider auch schmeckt, nehmen Wall-E und ich davon Abstand. Milkmonsta aber genießt die Dose bei strahlendem Sonnenschein und fast 30 Grad Celsius. Für den Rest des Tages hält der AT keine größeren Überraschungen mehr für uns bereit und so machen wir es uns schließlich in der Churchill Scott Shelter bequem. Vor allem ich bin ziemlich fertig und habe schwere, müde Beine, also ab ins Bett. Die Shelter haben wir nur für uns.
Mitten in der Nacht werden wir dann von einem ordentlichen Gewitter geweckt. Donner und Blitz, das volle Programm! Zudem prasselt der Regen heftig auf das Aluminiumdach der Shelter. Doch irgendwie hat es etwas schönes, dem Unwetter zu lauschen, während wir in unseren Schlafsäcken eingemurmelt und vor dem Regen geschützt in der Hütte liegen.
Am Morgen hat sich die Wetterlage dann zum Glück beruhigt, auch wenn die Sonne noch auf sich warten lässt. Jeder mit einem Hörbuch auf den Ohren, bringen wir die ersten Meilen des Tages hinter uns. Am Gifford Woods State Park machen wir dann die erste Pause und gönnen uns im Park Office je eine Cola. Und das mit gutem Grund, denn gibt es den nächsten Etappensieg zu feiern. 1700 Meilen oder besser gesagt mehr als 2735 (!) Kilometer sind wir jetzt schon gewandert. Anhand dieser Zahlen wird immer mehr auch uns bewusst, was für eine Distanz und vor allem Leistung das ist. Kurioserweise droht genau das beim alltäglichen Wandern in Vergessenheit zu geraten.
Nach der Pause gilt die volle Konzentration aber dem nächsten Anstieg – in 1,3 Meilen gilt es 1300 Fuß zu bezwingen. Und wie so häufig geht es danach natürlich wieder bergab. Kurz hinter der Stony Brook Shelter machen wir dann Mittag und genießen dabei leckere Pfefferbeißer mit Brot und Käse. Vor allem die Wurst ist nicht nur eine willkommene Abwechslung, sondern schmeckt auch noch richtig gut – von der Nugatschokolade zum Nachtisch ganz zu schweigen. Ein riesen Dankeschön an unsere Eltern und unsere Tante für all die Leckereien! Danach packen wir nochmal 4,5 Meilen drauf, ehe wir an einem kleinen Fluss unser Nachtlager aufschlagen.
Alle drei haben wir gut geschlafen, doch stellen wir auch fest, dass unsere Körper es über Nacht nicht mehr schaffen, sich vollständig zu regenerieren. Zwar haben wir keine großen Schmerzen oder Probleme, doch will eine gewisse Müdigkeit in den Knochen nicht mehr so recht weichen. Vielleicht ist es aber auch schlichtweg eine Kopfsache. Pflichtbewusst und brav machen wir uns dennoch daran wieder einige Meilen auf dem Appalachian Trail hinter uns zu bringen. Das Highlight des heutigen Tages ist eine kleine Farm, die am Trail liegt und der Ort unserer ausgiebigen Mittagspause wird. Danach geht es weiter durch die Wälder – bergauf und bergab. Sonderlich abwechslungsreich und landschaftlich schön, wie uns immer erzählt wurde, ist Vermont dabei nicht unbedingt. Mal sehen, ob uns die zwei verbleibenden Staaten, New Hampshire und Maine, mehr beeindrucken können.
Als fühle sich Vermont persönlich angegriffen und wolle uns vom Gegenteil überzeugen, zeigt es sich heute von seiner wirklich schönen Seite. Das passt zum Anlass, denn sind wir mit dem heutigen Tag genau vier Monate auf dem AT. Die Sonne scheint, der Trail ist weitestgehend breit und ausgetreten und führt uns über Wiesen und wirklich schöne Waldabschnitte. Nach fast fünf Meilen trifft der AT auf eine kleine Straße, die uns wiederum in den kleinen Ort West Hartford bringt. Ich halte nach Milkmonsta Ausschau, der etwas Vorsprung hatte, doch kann ich mich nur schwer konzentrieren, da mich das Läuten einer Glocke ablenkt. Immer und immer wieder erklingt die Glocke und zudem sehe ich jemanden von einer Veranda aus winken, als ich in die Richtung gucke aus der das Läuten kommt. Als ich vor dem Haus stehe, grüßt mich Milkmonsta zufrieden mit einem Glas Milch in der Hand. Sein kurzer, aber einleuchtender Kommentar: „Trail Magic!“ Aus dem Haus kommt eine Frau auf mich zu, bietet mir Kaffee und Frühstück an und kurz darauf sitzen Wall-E, Milkmonsta und ich vor mit Rüheei und Toast gefüllten Tellern. Wirklich unerwartet und einfach lecker!
Wir lassen dem Ehepaar als Dank eine kleine Spende da, damit es auch nach uns kommende Wanderer verwöhnen kann und machen uns mit vollen Bäuchen wieder auf den Weg. Die nächste interessante Begegnung machen wir dann an der Happy Hill Shelter. Während unserer Mittagspause trifft nämlich eine Studentin namens Shelby ein, die nächstes Jahr den AT wandern will. Zunächst will sie aber ihre Abschlussarbeit schreiben, die sich mit dem Trail und den Erfahrungen der Thru-Hiker beschäftigen soll. Und somit haben wir für die nächsten vier Meilen prompt eine Begleitung, der Wall-E während des Wanderns eine Art Interview gibt.
An der Straße nach Norwich verabschiedet sich eine sichtlich beeindruckte und zufriedene Shelby, während wir der Straße folgend, erneut über Trail Magic stolpern. In einer Kühlbox vor einer Grundstücksauffahrt finden wir Wassermelone und Cola. Doch es kommt noch besser, denn nur 300 Meter weiter ist die nächste als Trail Magic gekennzeichnete Kühlbox, aus der wir uns zwei Stückchen Bananenkuchen nehmen. So kann es meinetwegen weiter gehen!
Jetzt wartet auf uns jedoch erst einmal ein Abschnitt auf Asphalt. Es geht durch Norwich und über den Connecticut River, der zugleich die Grenze zwischen Vermont und New Hampshire ist, bis wir schließlich in Hanover ankommen. Eine wirklich saubere und schöne Stadt, in der viele junge Menschen die Straßen beleben. Am Stadtrand kaufen wir unser Essen für die nächsten Tage ein und laufen dann noch eine Meile bis zur Velvet Rocks Shelter. Dass es hier in unmittelbarer Nähe kein Wasser gibt, stört uns nur wenig. Zu schön war der Tag, zu viel Freundlichkeit hatten wir wieder einmal von den Leuten am Trail erfahren.
Und für heute haben wir schon das nächste Ass im Ärmel. Etwas mehr als fünf Meilen legen wir zurück, bis der AT eine kleine Straße kreuzt. Hier sind wir mit Mike verabredet, einem weiteren Trail Angel, der uns in Elkton, Virginia seine Nummer gegeben hatte und meinte, wir sollten uns bei ihm melden, wenn wir in New Hampshire sind. Gesagt getan! Und auch Mike hält Wort und holt uns in Begleitung seiner beiden kleinen Kinder, Jake und Abby, ab. Da im Pickup aber nur begrenzt Platz ist, machen Wall-E und ich es uns auf der Ladefläche gemütlich. Bei Mike angekommen, gibt es einen leckeren Salat, direkt aus dem Garten, denn Mike und seine Familie schwören auf Bio-Produkte. Von aufräumen halten sie dagegen offenbar wenig, doch stört uns das nicht. Wir können duschen, unsere Sachen waschen und ein wenig entspannen. Aber wirklich nur ein wenig, denn vor allem ich bin plötzlich „das Spielzeug“ für Jake und Abby. Mit den beiden rumzutoben, ist fast anstrengender als 20 Meilen wandern.
Zur Belohnung wartet allerdings Fußball auf uns. Deutschland gegen Ghana, das zweite WM-Spiel der DFB-Elf – ein 2:2-Unentschieden, wie allgemein bekannt sein dürfte. Mit den Worten: „Kurzurlaub zu Ende!“, schickt uns Mike wieder auf den Trail. Zwar hatte uns die Familie angeboten zu übernachten, doch müssen wir irgendwie auch auf unsere Meilen kommen. Immerhin fünf Meilen bringen wir heute noch hinter uns, bevor wir in der Nähe der Moose Mountain Shelter unsere Zelte aufschlagen.
Statistik zu diesem Abschnitt
Reisezeitraum: 17.06.2014 – 21.06.2014
Tage auf dem Appalachian Trail insgesamt: 122
Gewanderte Kilometer in diesem Abschnitt: 119,9
Gewanderte Kilometer auf dem Appalachian Trail insgesamt: 2823
Trail Magic auf diesem Abschnitt:
– Frühstück von Mary + Fahrt zurück zum Trail
– eine Dose Root Beer
– ein Powerriegel, den Robert am State Park geschenkt bekommt
– Rüheei, Toast, zwei Kaffee und ein Glas Milch in West Hartford
– drei Cola-Dosen und Wassermelone
– zwei Stück Bananenkuchen
– Mittag, Dusche und WM-Spiel bei Mike + ein 1 Liter Limonade
Basisstation
Liebes Trio,
riesig gefreut hat es uns, heute wieder eine nette Geschichte zu lesen. Bei allen Anstrengungen, die Euch auf Eurem Weg widerfahren, müssen wir aber sagen, besonders Milkmonsta sieht wie ein entspannter Urlauber auf den Fotos aus. Was ist das Geheimnis dafür ??? Euch weiterhin viel Spass und nette Begegnungen sowie ausreichend Kraft, um die letzten Meilen zu absolvieren.
Liebe Grüße an unser Trio von
VaT und MuT (V+C)
Philipp
Es muss wohl die Gesellschaft seiner beiden Mitwanderer sein, die ihn so entspannt und wie einen Urlauber wirken lässt. Anders kann ich mir das nicht erklären! :)
Inge Wölke
Liebes Wandertrio,von 14 Bundes Staaten müssen noch 2 erreicht werden und Euer Mammut Programm endet. Welche Leistung dahinter steckt , ist schon beeindruckend. man ist immerwieder fasziniert von den Tagebuchaufzeichnungen samt den schönen Fotos. Die Kröte hätte doch sicher drei Wünsche für Euch frei gehabt ??? Einer unserer Wünsche ist, daß Ihr bald das Ziel erreicht. Viele liebe Grüße OI und OH
Philipp
Hallo nach Rostock,
endlich das Ziel zu erreichen, ist auch einer unserer Wünsche, doch haben wir die Zauber-Kröte leichtfertig weiterlaufen lassen. Jetzt müssen wir die restlichen Meilen wohl selber bewältigen.
Liebe Grüße aus den USA
Mary Mcloughlin
Helloyou three!!!! I am finally reading your blog! How wonderful! It brings me that much closer to your adventure! Sounds like you are doing well! And I am sure you heard your team is in the World Cup Finals! Hope you will be somewhere to watch it! I will be in Dublin NH this weekend, July 11-13, should you need anything!
Great photos too!
Sending my best wishes!
Mary
Philipp
Hey Mary!
It’s so cool to hear from you! Thank you so much for your wonderful Trail Magic again and thanks for offering your help. We hope you’ll enjoy our next stories. I’m sure we will figure something out to watch the World Cup Final. All the best!
Milkmonsta, Wall-E and Pillow
Melanie
Hi,
ich lese seit dem Start Euer Tagebuch (über Outdoorseiten.de) und wollte Euch nun mal einen Gruß hinterlassen. Ihr lebt gerade meinen Traum!
Ich hoffe, Ihr findet am Sonntag irgendwo einen Fernseher am Trail und könnt das Finale sehen.
Viele Grüße aus Gera,
Melanie
Philipp
Hallo Melanie,
wir freuen uns berichten zu können, dass das mit dem Fernseher geklappt hat. Nun steigt auch bei uns die Spannung, aber dazu natürlich bald mehr im Blog. ;) Und da verraten wir dann auch, wie es in „deinem Traum“ weiter geht.
Viele liebe Grüße nach Gera
Beate
Liebste Thruhikers, wir hoffen sehr, dass Ihr noch genügend Kraft habt und unser allerliebster Wall-E wieder gesunde Füße hat , um den Endspurt zu vollziehen!!!! Die deutschen Fußballer stehen auch kurz vorm Finale. Wir drücken die Daumen! Ob das klappt, kriegt Ihr schon irgendwie mit, auch wenn Ihr keinen Fernseher habt! Trail gossip wird Euch schon erreichen! Kämpft Euch weiter voran und seid ganz tapfer! Wir freuen uns über Euren nächsten Bericht, der bestimmt sehr aufregend sein wird!
Herzliche Grüße vom Äquator, den Ihr hoffentlich auch bald bereist, um uns zu besuchen!!!!
Uwe und Beate ( P+M)
Philipp
Hallo ihr zwei,
Wall-E läuft wieder rund und so sind wir perfekt aufgestellt für unser Finale. Vorher gucken wir uns aber noch das der DFB-Elf an.
Viele liebe Grüße
Rüdi
hat bestimmt schon jemand gesagt: bei euch/ eurem Blog bekommt der sehr strapazierte Begriff ‚Follower‘ eine ganz neue und angenehm korrekte Dimension…
Viel Spaß beim Gucken, die Heimat dreht durch bei leider schlechtem Wetter…