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Von Neel Gap, GA bis Blueberry Patch, GA

Durch Geraschel werde ich geweckt. Genauer gesagt durch Packgeräusche, verursacht von Crunchie und Timout, dem britischen Pärchen aus der Nähe von Nottingham. Aber auch Robert ist schon auf den Beinen. Er ist ganz klar der Frühaufsteher unter uns. Ich dagegen brauche nach einer durchaus erholsamen Nacht noch ein paar Minuten um richtig wach zu werden.

Während sich unsere britischen Freunde auf den Trail verabschieden, frühstücken wir drei und hocken um eines unserer Smartphones herum. Skypen mit den Eltern steht auf dem Plan. Sonntagmorgen bei uns, heißt Sonntagnachmittag in Berlin bzw. Sonntagabend in Singapur – passt wunderbar!

„Ja, Mutti, es geht uns gut!“, „Nein, wirklich!“, „Das Wetter? Besser als erwartet!“ Dazu wird eingegangene Post „bearbeitet“, allerhand Neuigkeiten werden ausgetauscht und natürlich erfolgt ein ausgiebiges Update in puncto Sportergebnisse. Aus den angedachten zehn Minuten wird schnell das Dreifache. Da wir aber noch den zum Hostel gehörenden Shop zum Auffüllen unserer Essensvorräte stürmen wollen, müssen wir auflegen.

Der Einkauf fällt eher gering aus, da das Angebot nicht viel mehr zulässt und wir einen Tag später ohnehin unseren Großeinkauf in Hiawassee geplant haben. Aber dazu gleich mehr, zunächst geht es zurück auf den Trail. Und der hat es in sich! Nach einem ordentlichen Abstieg geht es sofort wieder bergauf – aber richtig.

Oben angekommen, völlig am schwitzen, bin ich fasziniert. Oder erschüttert. Ich weiß es nicht so genau. Doch es ist nicht etwa der Ausblick vom Wildcat Mountain, der mich verwirrt, sondern der Anblick einer äußerst kurpulenten Wanderin in Baumwoll-Trainingshose. An ihrem Rucksack baumelt so viel, dass ich gar nicht weiß, wo ich zuerst hingucken soll. Neben ihr, steht ihr sechsjähriger Sohn. Andere Hiker hatten uns schon von dem Duo berichtet und ich verstand jetzt ihre Bedenken. Diese Frau sollte mit dieser Ausrüstung und diesem kleinen Knaben nicht auf diesem Fernwanderweg sein. Doch schon im nächsten Moment ertappe ich mich dabei, wie ich denke: toll, einfach toll, dass sie rausgeht, es versucht und sich scheinbar durch nichts aufhalten lässt.

Während ich mit ihr zu plaudern beginne, kommt Robert ebenfalls oben an – und hat umgehend zwei Probleme. Zum einen ist da der Schweiß, der ihm in die Augen läuft. Zum anderen ist da zeitgleich der kleine Junge, der ihm ununterbrochen zwei Steinhälften zeigt, die an ihren Bruchstellen perfekt zusammen passen.

Für uns geht es den Rest des Tages Richtung Low Gap Shelter, wo wir erneut auf Crunchie und Timeout treffen sollten. Auf wen Robert und ich dort aber vorerst vergebens warten, ist Katerina. Offenbar noch voller Energie läuft unser „Wall-E“ versehentlich am Shelter, der auch etwas versteckt abseits des Weges lag, vorbei. Letztlich aber verbringen wir alle gemeinsam unsere erste Nacht in einem Shelter, die Zelte bleiben im Rucksack.

Für den nächsten Tag haben wir einen ambitionierten Plan. 9,7 Meilen (ca. 16 Kilometer) laufen, nach Hiawassee trampen, Essen für die nächsten Tage einkaufen und wieder zurück trampen, um noch ein paar Schritte vor dem Schlafen gehen zu laufen. Genau das sollte uns so, wenn auch mit etwas Glück, gelingen.

Am Unicoi Cap angekommen, heißt es Daumen raus. Katerinas Aufgabe, da sind wir uns alle einig. Bereits das dritte Auto hält. Eine Krankenschwester nimmt uns mit nach Hiawassee und setzt uns nach ca. 15 Minuten Fahrt genau vor dem Ingles ab. Ein Supermarkt, für den wir durch unseren Roadtrip sogar schon eine Kundenkarte besitzen.

Jetzt beginnt das große Rechnen. Wie oft brauchen wir wie viel Frühstück, Mittag und Abendbrot bis wir wieder einkaufen können? Und was wollen wir überhaupt essen? 90 Minuten später haben wir alles zusammen, bezahlt und sind gerade dabei die überflüssige Verpackung zu entfernen, als uns eine Frau fragt, ob sie uns zurück zum Trail fahren kann. Jackpot! Besser kann es nicht laufen. Zurück auf dem AT wandern wir noch eine knappe Meile, ehe wir uns total zufrieden über das Erreichte in unsere Zelte legen.

Am nächsten Tag geht es ordentlich hoch und runter – und zur Belohnung gibt es einen traumhaften Ausblick bei sonnigem Wetter auf Tray Mountain. Zeit für Mittag! Bei uns heißt das Tortillas mit Erdnussbutter und Käse. Dann wird weiter gewandert, ehe es abends nach Nudeln und einer alles überdeckender Käsesauce ins Zelt geht. Bei rund 0 Grad Celsius ist es auszuhalten, zumindest bis der Wind einsetzt.

Sechs Meilen, also rund zweieinhalb Stunden laufen wir am nächsten Morgen, ehe wir am Dicks Creek Gap für eine Mittagspause halten. Neben dem altbekannten Essen überlegen wir, wie weit bzw. ob wir heute überhaupt noch weiter laufen. Schließlich wird für die Nacht eine Tiefsttemperatur von – 7 Grad Celsius vorhergesagt. Knapp eineinhalb Stunden diskutieren wir, bis es wieder heißt: Katerina, Daumen raus! Ein paar Autos lassen uns stehen, ehe uns erneut eine Frau mitnimmt. Außerdem im Wagen, eine Hündin namens Mango, die während der Fahrt im ganzen Auto umherspringt und uns nicht in Ruhe lässt, bis sie endlich gekrault wird.

Rausgelassen werden wir am Blueberry Patch Hostel, wo uns Gary begrüßt. Er zeigt uns die Hütte mit insgesamt zehn Betten, das Bad mit Toilette und warmen Wasser und heizt den Ofen an. Wir lassen es uns richtig gut gehen, plündern den Kühlschrank voll mit Cola und sind uns sicher, dass wir alles richtig gemacht haben. Und dieser Eindruck soll beim Frühstück noch einmal gefestigt werden.

Statistik zu diesem Abschnitt

Reisezeitraum: 23.02.2014 – 26.02.2014

Tage auf dem Appalachian Trail insgesamt: 7

Gewanderte Kilometer in diesem Abschnitt: 61,0

Gewanderte Kilometer auf dem Appalachian Trail insgesamt: 112,0

Trail Magic auf diesem Abschnitt:

– 3 Fahrten per Anhalter

16 Responses

  1. christiane
    | Antworten

    Lese fleissig von Euren Abenteuern – bin mir immernoch nicht so ganz sicher ob ich Euch wirklich beneide. Das klingt alles spannend… aber fuer soooo lange ;)
    Schreibt auf jeden Fall fleissig weiter und die Fotos sind auch toll! Freu mich fuer Euch dass es so viel Spass macht! Wuensche warme und trockene Fuesse ohne Blasen!

  2. Daydreambeliever
    | Antworten

    Toll bitte macht weiter so!
    Ich habe 2 Fragen erstens wie zufrieden seid ihr mit Euren Isomatten kann man darauf wirklich erholsam schlafen oder schmerzt der Rücken? zweitens wie gehts Euren Füßen, irgendwelche Blasen oder andere Probleme?

    mfg

    • Philipp
      | Antworten

      Hey Daydreambeliever! Danke für deine Kommentare. Mit den Isomatten kommen wir super klar. Für uns funktionieren sie jedenfalls. Genau wie unsere Füße. ;) Die sind abends allerdings ordentlich müde. Blasen sind zwar vorhanden, behindern uns aber nicht. LG..

  3. Henrik
    | Antworten

    Schöne kleine Schmunzler, Philipp :) Von mir aus könnt ihr ruhig weniger berichten, dafür aber mehr „Geschichten“ schreiben. Vor allem hat mir heute der erste Satz gefallen, die Skype-Episode, der Jackpot! und das wiederholte „Katerina, Daumen raus!“.

    • Philipp
      | Antworten

      Hey Henrik! Freut mich zu hören, danke. Die Geschichten schreiben sich vom Teil auch selbst. ;)

  4. Basisstation
    | Antworten

    Super, wirklich toller Bericht, der gern ein Lächeln übers Gesicht ziehen lässt. Doch liebe Katerina oberstes Prinzip: Kein entfernen von der Gruppe ;-)) Wie kam es denn dann wieder zur Gruppenzusammenführung ??

    • Philipp
      | Antworten

      Alles halb so wild. Katerina hat lediglich die „Ausfahrt“ verpasst. Als sie das gemerkt hat, ist sie einfach die paar Meter zurück gelaufen.

  5. Beate
    | Antworten

    Katerina, wir machen uns Sorgen! Lauft ihr drei denn nicht in Sichtweite!
    Wir hoffen, ihr passt alle drei sehr aufeinander auf!!!!
    Liebe Grüsse
    P und M

  6. Carmen
    | Antworten

    Das hört sich alles sehr spannend an, aber ich glaube mir wär das Ganze zu anstrengend. Aber ihr seid jung genießt das Abenteuer. Nur eins noch Jungs ihr müßt besser auf euer Mädchen aufpassen und ihr dürft sie nicht allein lassen – bleibt zusammen.

    LG Willi und Carmen

    • Philipp
      | Antworten

      Hallo Carmen, hallo Willi! Wir genießen bisher jeden Moment. Und natürlich passen wir auf „unser Mädchen“ auf. Schließlich funktionieren wir nur als Team!

  7. Battige
    | Antworten

    Liebe Gruesse von eurer Friseuse. Verfolge alles. Bis jetzt alles interessant, einfach super!!!! Wuensche weiterhin viel Freude und Kraft bei allen Unternehmungen. Vermisse eure Bärte! :-) :-) :-) Bis bald einmal.

    • Philipp
      | Antworten

      Wow, das ist eine große Überraschung! Danke für den Kommentar. Da die Haare fleißig wachsen, dauert der nächste Besuch bei dir sicher etwas länger. Viel Zeit zum Erzählen, also. Viele Grüße…

  8. Ulf
    | Antworten

    Tja, der Link zur Route bis hierher klappt ja soweit, nur kann man leider nicht mehr Wegpunkte eintragen wie noch kommen werden :(

    https://mapsengine.google.com/map/edit?mid=z00mPFy2X6-c.krRaRTRUwOqo

    • Robert
      | Antworten

      Hallo Ulf,

      Danke für den Link. Wenn ich ihn anklicke, kommt bei mir allerdings die Meldung „Zugriff verweigert“. Das kann vielleicht auch daran liegen, dass ich es per Smartphone probierte, vielleicht musst Du die Karte aber auch öffentlich machen?

      • Ulf
        | Antworten

        Hallo Robert,
        stimmt, ich hatte die Einstellungen auf Privat gelassen, ist aber nun geändert und es sollte bis hierhin klappen. Es sind ein paar Wegpunkte dabei die nicht von Euch angegeben wurden. Diese brauchte ich aber um die Route auf dem AT zu belassen, sonst wäre sie über die Straßen weiter gegangen.

        • Robert
          | Antworten

          Hallo Ulf,

          vielen Dank für Deine Bemühungen! Wir schauen uns das genauer an, wenn wir mal wieder einen zero machen.

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